Ich wache morgens auf und bleibe noch eine Weile im Bett liegen. Das Aufstehen fällt mir sehr schwer, obwohl ich lange genug geschlafen habe. Ich denke nach. Über die Probleme und über das unsägliche Leid in der Welt. Irgendwann schaffe ich es dennoch aufzustehen. Ich gehe duschen und brauche viel länger als sonst, denn ich bin völlig antriebslos. Meine Haare bleiben nass, weil ich keine Lust habe sie zu fönen. Ich mache mir mein Lieblingsfrühstück, bekomme es aber kaum herunter. Danach weiß ich nicht, was ich mit mir anfangen soll. Ich habe zu nichts Lust, obwohl ich sehr viele Interessen habe und eigentlich froh bin, wenn ich mal die Zeit habe sie auszuleben. Außerdem wartet noch eine lange ToDo-Liste auf mich. Ich vertrödel dennoch nach und nach den Tag und frage mich, warum ich überhaupt aufgestanden bin. Ich versuche zwar immer mal wieder etwas von dem zu erledigen, was ich mir vorgenommen hatte. Aber es geht nicht voran. Ich habe eine Blockade. Und schon wieder sind zwei Stunden vergangen.
Meine Gedanken kreisen wieder. Ich denke an Krieg, an hungernde Menschen, an Diskriminierungen, an Armut, an soziale Ungleichheit, an Schlachthöfe, an Tierversuche, an das Sterben der Ozeane und an den Klimawandel. Es ist unerträglich. Ich bin wütend und traurig. Und immer wieder frage ich mich, warum die meisten Menschen lieber mit Scheuklappen durch die Welt laufen, statt mitzuhelfen die Welt zu verbessern. Wenn alle nur ein klein wenig mitmachen würden, dann wären doch viele der Probleme innerhalb relativ kurzer Zeit gelöst und wir hätten eine Welt, in der es viel weniger Leid gäbe. Die meisten Ungerechtigkeiten existieren nur, weil die meisten Menschen wegschauen oder uninformiert sind. Warum tun viele so, als wär ihnen alles egal? Ist es ihnen vielleicht sogar egal? Nein, das kann ich nicht glauben. Und warum informieren sich viele nicht? Weil sie denken, dass sie bereits alles wissen? Glauben sie wirklich, dass sie alles wissen, wenn sie sich jeden Tag die Tagesschau ansehen oder einmal pro Woche Zeitung lesen? Nein, die einen wollen nicht informiert sein und die anderen wollen nicht hinsehen. Ich verstehe nicht warum. Ist es Egoismus? Selbstschutz? Hoffnungslosigkeit? Oder haben sie einfach keinen Mut? Was auch die Gründe jedes einzelnen Menschen sein mögen. Ich kann nicht ändern, dass sie nicht mitmachen wollen. Aber ich kann die Welt auch nicht allein retten. Mich überkommt das Gefühl der Ohnmacht.
Ich denke darüber nach, ob ich nicht doch noch viel mehr tun sollte. Dann zweifel ich daran, dass ich mit meinem Verhalten überhaupt etwas verändern kann. Das, was ich tue, ist vielleicht nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber sollte ich mich nicht darüber freuen, dass es wenigstens das ist? Meistens freue ich mich darüber, wenn sich durch mein Verhalten ein wenig ändert. Im Moment kann ich das jedoch nicht. Meine Sehnsucht nach einer besseren Welt ist viel zu groß. Ich stelle mir vor, wie alles sein könnte. Dann überkommt mich ein Gefühl von tiefer Traurigkeit, weil ich weiß, dass ich das niemals erleben werde. Und mit diesem Gefühl gehe ich am Abend ins Bett.
Am nächsten Tag wache ich auf und springe hochmotiviert aus dem Bett. Die Sonne scheint und ich freue mich sehr auf den Tag. Mir wird wieder bewusst, dass es außer mir noch viele andere Menschen gibt, die ähnlich denken wie ich. Ich bin nicht die einzige, die vegan lebt. Ich bin nicht die einzige, die versucht die Umwelt zu schützen. Und ich bin auch nicht die einzige, die Geflüchtete willkommen heißt. Ich bin nicht allein! Wir sind zwar eine Minderheit, aber es lohnt sich immer für Gerechtigkeit zu kämpfen. Unsere Geschichte zeigt, dass die positiven Veränderungen, die heute sogar die wegschauende Mehrheit nicht missen möchte, eigentlich immer von Minderheiten ausgingen (Abschaffung der Sklaverei, Frauenwahlrecht, Energiewende, …). Dann schmiede ich wieder Pläne für mein Blog, schaue nach, wann die nächste antirassistische Demo ist, denke über mehr Aktivismus nach und überlege, wie ich ansonsten noch möglichst viele Menschen überzeugen kann. Ich tue was ich kann. Ich mache weiter. Das ist der Sinn meines Lebens.
Ein Kommentar zu “Der Weltschmerz einer Idealistin”
„Ich tue was ich kann. Ich mache weiter. Das ist der Sinn meines Lebens.“
Danke.
Danke danke danke. Das ist genau das, was ich jetzt gebraucht habe ❤